JIL kompakt – AR im öffentlichen Sektor

Die JIL kompakt stehen als handliche Zweiseiter zum Download zur Verfügung.

Wie können Mitarbeiter:innen und Bürger:innen im Kontext der öffentlichen Verwaltung durch AR-Anwendungen unterstützt werden?

Unter Augmented Reality (AR, dt.: erweiterte Realität) wird der Einsatz von Technologie zur Anreicherung der Umwelt mit digitalen Artefakten verstanden.

Im Unterschied zu virtueller Realität (VR), bei welcher Benutzer:innen vollständig in eine virtuelle Umgebung eintauchen, bleibt bei Augmented Reality der direkte Bezug zur realen Umgebung erhalten (vgl. Abbildung 1). Durch diese Eigenschaft eignen sich AR-Anwendungen sehr gut, um Anwender:innen mit zusätzlichen Informationen zu versorgen, während sie mit ihrer Umwelt interagieren.

   Abbildung 1: Reality-Virtuality-Continuum nach Milgram et al. (1995)
 
Wie können AR-Anwendungen sinnvoll im Kontext der öffentlichen Verwaltungen eingesetzt werden? Und welche Anforderungen müssen hierfür erfüllt sein?

Technische Voraussetzungen

Durch den technischen Fortschritt der letzten Jahre, können AR-Anwendungen heute ohne großen Aufwand und mit überschaubaren Kosten eigesetzt werden. Für viele einfache Anwendungsszenarien genügt bereits ein durchschnittliches Smartphone oder Tablet. Für aufwändigere Anwendungen eignet sich der Einsatz sogenannter Augmented-Reality-Headsets (vgl. Abbildung 2). Diese müssen zwar zunächst beschafft werden, können dafür aber auch für Aufgaben eingesetzt werden, für deren Bearbeitung freie Hände benötigt werden und entsprechend kein Smartphone gehalten werden kann.

In beiden Fällen handelt es sich um mobile Geräte, die einen ortsunabhängigen Einsatz ermöglichen. Zugleich können virtuell Objekte und Informationen kontextsensitiv, also zum Beispiel abhängig vom Strandort oder dem Blickwinkel, angezeigt werden.

Allgemeine Einsatzszenarien

AR-Anwendungen können in vielfältigen Szenarien eingesetzt werden. Typische Anwendungsfelder sind Unterhaltung (z. B. Spiele oder Infotainment), Assistenz, Aus- und Weiterbildung, aber auch Tourismus. Insbesondere in der Montage- und Fertigungsindustrie sowie im Bereich Medizin werden AR-Anwendungen eingesetzt, um die Arbeit oder Ausbildung zu unterstützen.

Abbildung 2: Die Anwendung “Smart City: Clean Energy” (Ong Innovations, 2018) auf der Microsoft Hololens. Für den Betrachter wird die Stadt auf einer beliebigen Oberfläche dargestellt.

Als Assistenz können über eine AR-Anwendung wichtige Prozessschritte oder virtuelle 3D-Modelle von komplexen Bauteilen oder schlecht einsehbaren Bereichen eingeblendet werden, um die Produktivität zu steigern oder die Anzahl von Fehlern zu reduzieren. Zudem können Mitarbeiter:innen gezielt in der Arbeit mit neuen Arbeitsmitteln oder Softwareanwendungen weitergebildet werden, indem ihnen Hinweise und Korrekturvorschläge angezeigt werden, während sie die Tätigkeit ausüben.

Einsatzszenarien im öffentlichen Sektor

Im Kontext des öffentlichen Sektors bietet sich der Einsatz von Augmented-Reality-Anwendungen insbesondere im Bereich der Assistenz sowie in der Aus- und Weiterbildung an. Nachfolgend werden beispielhaft Szenarien vorgestellt, in denen Mitarbeiter:innen durch AR-Anwendungen unterstützt werden können.

Unterstützung komplexer Prozesse: Insbesondere bei komplexeren, viele Schritte umfassenden Verwaltungsprozessen kann es wichtig sein, diese vollständig und in korrekter Reihenfolge auszuführen. Um dabei zu unterstützen, bieten sich Computerprogramme an, welche die Sequenz bei Bedarf anzeigen. Das System kann automatisch auf Fehler reagieren oder Hilfestellungen auf Anfrage bereitstellen. Um die Arbeit nicht zu behindern, sollte die Häufigkeit und der Detailgrad derartiger Assistenzmeldungen konfigurierbar sein.

Einarbeitung und Weiterbildung: Werden neue Systeme oder Prozesse eingeführt oder kommen Mitarbeiter:innen neu in eine Abteilung, müssen Weiterbildungen durchgeführt werden. Dieser Prozess kann durch AR-Anwendungen unterstützt werden, indem erforderliche Schritte angezeigt werden oder auf Besonderheiten oder Schwierigkeiten aufmerksam gemacht wird. Für erkannte Fehler können direkt passende Korrekturen vorgeschlagen werden. Auf diese Weise kann an realen Beispielen trainiert und neue Arbeitsabläufe und Prozesse in ihrer eigenen Geschwindigkeit erlernt werden. Zudem werden Kolleg:innen oder Ausbilder:innen entlastet, welche andernfalls für die Weiterbildung verantwortlich wären.

Augmented Intelligence: Computerprogramme können große Datenmengen verarbeiten und basierend darauf kontextsensitiv relevante Informationen bereitstellen. Durch die automatische Analyse bereits gestellter bzw. entschiedener Anträge können Bürger beim Ausfüllen neuer Anträge unterstützt werden und Mitarbeiter:innen in der öffentlichen Verwaltung vergleichbare Anträge als Entscheidungshilfe vorgeschlagen werden. Dieser Anwendungsbereich künstlicher Intelligenz wird als Augmented Intelligence (dt: erweiterte Intelligenz) bezeichnet. Mit Hilfe einer AR-Anwendung können diese Hilfestellungen direkt im Sichtfeld der Anwender:innen eingeblendet werden, wodurch diese sich nicht vom Formular abwenden müssen. Eine Suche nach Beispielen für Textfelder oder vergleichbaren Entscheidungen entfällt. Durch die Verwendung von AR funktioniert dies sowohl für papierbasierte Anträge, als auch für Anträge auf dem Computerbildschirm.

Digitale Bauakte mit Augmented-Reality-Ansicht: Die digitale Bauakte ermöglicht es, den gesamten Prozess medienbruchfrei zu durchlaufen und einzelne Prozessschritte zu automatisieren. Die Verwendung von AR-Technologie kann den Prozess weiter vereinfachen. Prozessbeteiligte können sich beispielsweise mit Hilfe eines Tablets vor Ort ein dreidimensionales Modell des Bauvorhabens ansehen (vgl. Abbildung 3) und auf diese Weise besser abschätzen, wie sich dieses in seine Umgebung einfügen wird.

Abbildung 3: Die digitale Bauakte mit AR-Ansicht eines Gebäudes auf einem Tablet-PC

Weiterbildung in der Katastrophenbewältigung: Ein weiteres Anwendungsszenario für AR-Technologie ist die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften des Katastrophenschutzes und der zivilen Sicherheit. Teilnehmer:innen sollen mit Hilfe einer Kombination aus E-Learning und AR-Simulationen Managementaufgaben und das richtige Verhalten in Krisensituationen trainieren. Die AR-Technologie bietet hierbei die Möglichkeit, in die Szenarien einzutauchen, ohne den Bezug zur real-physischen Umgebung zu verlieren. Auf diese Weise können die Weiterbildungsteilnehmer miteinander kommunizieren und die Szenarien kollaborativ bewältigen.

Fazit

Die AR-Technologie wird in einer steigenden Zahl von Domänen und für die unterschiedlichsten Szenarien eingesetzt. Durch den technologischen Fortschritt und die steigende Verbreitung sind die benötigten Systeme erschwinglich und auch für komplexere Anwendungen ausreichend leistungsfähig. Damit ist die Zeit reif, AR-Anwendungen auch im öffentlichen Sektor einzusetzen. AR-Anwendeungen können komplexe Prozesse beschleunigen und gleichartige Entscheidungen bei gleicher Datenlage unterstützen.

Der derzeitige Umbruch hin zu einer digitalisierten Verwaltung wird viele neue Einsatzszenarien schaffen, die noch über die hier vorgestellten Szenarien hinausgehen. Insbesondere durch eine breite Verfügbarkeit digitaler und maschinenlesbarer Informationen und Dokumente werden hier große Potentiale freigelegt.

Literatur und weitere Informationen

Milgram, P., Takemura, H., Utsumi, A., & Kishino, F. (1995, December). Augmented reality: A class of displays on the reality-virtuality continuum. In Telemanipulator and telepresence technologies (Vol. 2351, pp. 282-292). International Society for Optics and Photonics.

Ong Innovations (2018). Smart City: Clean Energy. Abgerufen von https://www.microsoft.com/dede/
p/smart-city-clean-energy/9pfkgpr2kxb4

Florian König
Wissenschaftlicher Mitarbeiter

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